Für ein ganz besonderes Stück Verwirrung sorgt das Museum Abteiberg in Mönchengladbach, das mit dem Untertitel “Abstraktionen, Textilien, Kunst” die Ausstellung vom 23.6. bis 10.11.2013 in seinen Räumen zeigte. Das Teilnehmerverzeichnis enthält Namen wie Anni Albers, Lenore Tawney, Magdalena Abakanowicz, Jagoda Buic, Sheila Hicks, weiter Künstler aus der Zeit der Lausanne-Biennalen, darunter viele Niederländer, aber auch Paul Klee, Johannes Itten und jüngere Leute, die textile Materialien verwenden, wie Rosemarie Trockel.
‘Textiles: Open Letter’ ist ein Projekt der in Leipzig lebenden Kuratorin Rike Frank, zusammen mit Grant Watson (London), Sabeth Buchmann (Wien) und Leire Vergara (Bilbao), finanziert von der Allianz Kulturstiftung und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. In einer Serie von Gesprächen, Ausstellungen, Seminaren und weiteren Präsentationen versuchte man die Frage nach der aktuellen Bedeutung des Textilen in der zeitgenössischen Kunst zu beantworten. Hierfür benötigte man innerhalb von eineinhalb Jahren acht Treffen in London, Wien, Leipzig und Bilbao, um schließlich in Mönchengladbach eine große Ausstellung einzurichten, die ihr Publikum ratlos hinterlässt.
Weder die Mitglieder der Projektgruppe, noch das Museum Abteiberg sind in Sachen Textilkunst jemals auffällig geworden. Allerdings haben die Kunstwissenschaftler und der offizielle Kulturbetrieb immer schon gewusst, wie man mit interessant klingenden Projektexposés Fördermittel angeln kann. In Mönchengladbach beteiligten sich auch die Kunststiftung NRW und der niederländische Mondriaan Fonds an der Finanzierung. Wenn die Ausstellung, wie geplant, im Jahre 2014 in Wien zu sehen sein wird, gibt die Generali Fondation Raum und Geld.
Worin besteht nun die Verwirrung, die von der Ausstellung in Mönchengladbach ausgeht? Ein Film erinnert an einige Werke in ehemaligen Lausanne-Ausstellungen, dann wird man in einen Saal geführt, der mit alten Klassikern, z. B. von Tawney, Abakanowicz, Buic etc. gefüllt ist; am Ausgang stehen Vitrinen mit Dokumenten aus Holland, einer europäischen Region in der parallel zu den Lausanne-Biennalen ein sehr innovatives Textilkunstklima herrschte (Musste man dem Mondoriaan Fonds Tribut leisten?). Warum beachtete man die Situation in Polen nicht, in der es vergleichbar fruchtbar zuging?
Die Begleittexte zur Ausstellung – eine Ansammlung von Kunstgeschwätz – erklären den Begriff ‘Open Letter’ mit einem Text von Anni Albers aus dem Jahre 1958, aus dem hervorgehen soll, dass sie im gesamten Zeitraum ihrer künstlerischen wie lehrenden Tätigkeit die Nähe zur Bildenden Kunst und zu historischen Vorläufern einer Sprache der Abstraktion gesucht haben soll, wie sie sie in präkolumbianischen Textilien fand. Sie sei von der gleichen Motivation getragen gewesen, Weben als künstlerisches Medium zu etablieren wie die Projektteilnehmer (?). – Nirgendwo in den Begleittexten und in der Ausstellung taucht diese Schlüsselquelle auf!
Von präkolumbianischen Textilien waren mehrere Textilkünstlerinnen der Aufbruchszeit inspiriert, nichts davon in der Ausstellung, stattdessen einige koptische Fragmente aus dem Museumsbestand… Dann heißt es: “Die Ausstellung zeigt, auf welch vielfältige Weise die Geschichte des Minimalismus und der Konzeptkunst, wie sie die Sammlung des Museum Abteiberg prägen, von Textilien beeinflusst und wie sehr gleichzeitig das Textile auch immer wieder aufgrund seiner Position zwischen angewandter und freier Kunst und seinen Zuschreibungen als ‘weiblich’ aus einem gängigen Kanon verdrängt wurde.” Dieser Hinweis erklärt, warum der Ausstellungsteil “Textiles: Open Letter” im Museumsgebäude nahtlos in die Präsentation von Exponaten des Museums aus den 1920er Jahren bis heute übergeht. (War dieser lautlose Übergang der NRW-Kunststiftung geschuldet?) Man bekommt hier leider den Eindruck, dass ein an sich spannendes Thema mit teils sehr interessanten Objekten in Text und Darstellung einem Raster an Sponsorenanforderungen geopfert wurde – und ist verstimmt! (http://www.museum-abteiberg.de)