Textil auf der Documenta in Kassel
Seit Textil bei Kunstausstellungen so hoch im Kurs steht, gilt es keine Kunstausstellung mehr zu verpassen, und schon gar nicht eine so wichtige wie die Documenta, die alle fünf Jahre stattfindet. Bereits 2012 gab es viele interessante Textilkunstwerke zu sehen, u.a. den 17 Meter breiten Jacquardteppich von Goshka Macuga sowie mehrere Tapisserien von Hannah Ryggen.In diesem Jahr wollte Kurator Adam Szymszyk in Anbetracht der Lage der Welt eine politische Ausstellung gestalten. Trotzdem oder gerade deshalb gab es viel Textil zu sehen!Das Gelände der Documenta wurde vom Werk ‘The Parthenon of Books’ der argentinischen Künstlerin Marta Minujin bestimmt, das aus verbotenen Büchern bestand, die in Plastik eingeschweißt waren.
In der Documenta-Halle begegnete man als erstes den sehr beeindruckenden Masken des indigenen Künstlers Beau Dick (1955 -2017) vom Volk der Kwakwaka´wakw in Kanada, die er noch bis kurz vor seinem Tod gestaltet hatte.Der große Saal dieser Halle wurde von Textilarbeiten bestimmt: Von der bis zur Decke reichenden Arbeit ‘Quipu Womb’ in roter Wolle von Cecilia Vicuña aus Chile sowie von der Installation ‘Uprising’ des Künstlers Aboubakar Fofana aus Mali. Er widmet sich der in seinem Land fast vergessenen Tradition des Indigofärbens!Sehr anrührend war die erzählende meterlange Stickerei ‘Historja’ von Britta Marakatt-Labba vom Volk der Sámi in Nordschweden. Die Geschichte beginnt mit der Darstellung des Sámi-Kosmos, beschreibt wie Mensch und Tier zusammenleben, wie gegen Unterdrückung rebelliert wurde und wie man sich heute zwecks politischer Selbstbestimmung zusammentut.
Im zweiten großen Gebäude, dem Fredericianum, waren Kunstwerke aus dem Nationalmuseum für Zeitgenössische Kunst in Athen ausgestellt (Griechenland war diesmal Partnerland der Documenta). Gezeigt wurde u.a. Kimsooja´s ‘Bottari’, bestehend aus traditionellen koreanischen Bettüberwürfen und gebrauchter Kleidung. Von der Griechin Bia Davou (1932 -1996) war die Arbeit ‘Sails’ von 1981/82 zu sehen. Die Installation ‘Slumber’ von 1994 von Janine Antoni (geboren 1964 auf den Bahamas) stellt eine Neuerzählung des Mythos der Penelope dar, ihrer Sysiphusarbeit, den Schleier zu weben um Geschichte zu erzählen.
In der Neuen Galerie war eine große Anzahl von Werken untergebracht, wobei nicht immer klar war, warum sie für die Documenta ausgewählt wurden. Textiles war auch dabei, z.B. sehr gut gewebte Teppiche: ‘Replica Chip’ und ‘ohne Titel’ von Marilou Schulze, einer Navaho (Diné)-Weberin aus Nordarizona.
Wie auf der Biennale von Venedig wurden auch hier die großen alten Damen, Maria Lai und Geta Brătescu gewürdigt: Maria Lai aus Italien mit ihren Arbeiten ‘Brotbücher’ und ‘Telaio’ (Webstuhl) und Geta Brătescu aus Rumänien mit hauptsächlich grafischen Arbeiten sowie einem Filmskript.
Der Mexikaner Guillermo Galindo (geboren 1960) zeigte Musikpartituren aus der Serie ‘Exit’, gestaltet aus gefundenen textilen Materialien wie Schals und Decken!
In der Stadt Kassel selbst war die auffälligste Arbeit die Verhüllung von zwei Gebäuden mit Jutestoffen, geplant von Ibrahim Mahama und ausgeführt in diesem Fall mit Hilfe von Studenten der Kunsthochschule Kassel.
Insgesamt war die Documenta eine Schau, die sehr zum Nachdenken darüber anregte, was Kunst in unserer Welt bewegen kann. Die Kunstkritik schien mit dem Tun des Kurators nicht sehr zufrieden, aber das waren sie wohl nie!
Beatrijs Sterk