“Life doesn’t frighten me” – Michelle Elie trägt Comme des Garçons von 3 April bis 1 November im Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt
Mein erster Ausstellungsbesuch in Frankfurt Ende Juni nach der Corona-Sperrung hat mir sehr viel bedeutet. Was für ein Vergnügen, eine Ausstellung wieder sehen zu können! Obwohl ich nicht wusste, was ich von dieser Modeausstellung erwarten sollte, war es eine positive Überraschung. Mir war bewusst, dass Rei Kawabuko, der Comme les Garçons gründete, gegen alle Konventionen verstößt. Aber dass es Frauen wie Michelle Elie (gebürtige Haitianerin) gibt, die es wagen, ihre Provokationen zu tragen und Sammlerin vieler Stücke zu werden, war für mich völlig neu. Ich bewundere ihren Mut, mit den verschiedenen Reaktionen, die die Stücke hervorrufen, Schritt zu halten, und schäme mich ein wenig fest zu stellen, dass mein eigenes Selbstvertrauen in mein Körperbewusstsein eher bescheiden ausfällt.
Michelle Elie sagt über ihre Faszination für Comme les Garçons: “Rei Kawabuko ermöglicht es mir, mich auf ganz unterschiedliche Weise auszudrücken. Sie fordert mich immer wieder aufs Neue und hat mein Verständnis von Kleidung grundlegend verändert. Was ist Kleidung überhaupt? Was kann man damit machen? …Dies sind Fragen , mit denen ich mich beschäftige.”
die Kuratorin Dr. Mahret Ifeoma Kupka sagt:
“Kleidung wird durch kulturellen Kontext zu Mode. Die japanische Designerin Rei Kawakubo gründete 1969 ihr Modelabel Comme des Garçons (deutsch: Wie Jungs). Bis heute geht es ihr nicht darum zu gefallen, sondern spielerisch und lustvoll den männlichen, durch westliche Schönheitsideale gelenkten Blick zu stören. Konventionen der Schnittkunst bricht Kawakubo durch Dekonstruktion, Verschiebung, Zerstörung und Ausbuchtungen ohne Rücksicht auf Körperformen. Träger*innen eignen sich die Kleidobjekte an, bringen sie in ihren je eigenen Kontexten zum Leben, nicht ohne Aufsehen zu erregen. Comme des Garçons widerspricht der Norm, fällt auf und provoziert nicht selten.
Designerin und Mode-Ikone Michelle Elie liebt, sammelt und lebt Kawakubos Entwürfe leidenschaftlich – auf den internationalen Fashionweeks, die sie regelmäßig besucht, und in ihrem Kölner Alltag. Das Museum Angewandte Kunst zeigt Elies Sammlung und lässt sie selbst die Geschichten der jeweiligen Stücke erzählen: Vom Moment der Entdeckung, über den Erwerb, bis hin zum Erleben auf dem eigenen Körper und den unterschiedlichsten Reaktionen, die das Tragen bei anderen provoziert. „Life doesn’t frighten me“, sagt die gebürtige Haitianerin, und tatsächlich gehört Mut dazu, Kawakubo zu tragen und sich damit klar gegen gesellschaftliche Normen zu positionieren. Als schwarze Frau in einer weißen Mehrheitsgesellschaft mit ihren entsprechenden Vorstellungen von Schönheit, trotzt Elie bereits durch ihr bloßes Sein jeder Norm. Mit Comme des Garçons am Leib, überspitzt sie ihre Körpererfahrungen selbstbewusst und fordert damit Betrachter*innen heraus, ihr je eigenes Körpererleben zu reflektieren.”
Beatrijs Sterk