Biennale von Venedig “The Milk of Dreams”

Rosemarie Trockell, Germany, 1952: Installation of her works with sculpture by Andra Ursuta; photo Beatrijs Sterk

Die 59. Biennale von Venedig “The Milk of Dreams”
vom 23. April bis 27. November 2022; Teil 1 die Austellung von Cecilia Alemani im Giardini und im Arsenalis

Der Titel bezieht sich auf ein Kinderbuch von Leonora Carrington (1917-2011), worin diese britisch-mexikanisch surrealistische Künstlerin Geschichten aus einer magischen Welt erzählt, wobei das Leben durch Fantasie dauernd neu gestaltet werden kann, und wo jeder sich verändern, transformieren oder etwas ganz Anderes werden kann.
Die Ausstellung zeigt die Arbeiten von 213 KünstlerInnen aus 58 Ländern, unterteilt in drei Themen: Die Darstellung von Körpern und deren Metamorphosen, die Beziehungen zwischen Einzelpersonen und Technologien und die Verbindung zwischen Körpern und der Erde. 
Auf die Frage, warum von den 213 eingeladenen Künstlern nur etwa zehn Prozent männlich sind, sagte Cecilia Alemani (erst die dritte weibliche Kuratorin der Venedig Biennale), dass es bislang umgekehrt gewesen sei und sie deshalb diesmal Künstlerinnen den Vortritt gelassen hätte. Für die Trendforscherin Li Edelkoort war das ein ähnliches Gefühl wie bei der Wahl von Obama als Präsident!  Unter den männlichen Kunst-Insidern gab es aber Zweifel, ob dies wohl eine wichtige Biennale werden würde… 
Außerdem war der Kunstbegriff erfreulich weit gesteckt und umfasste die verschiedensten sogenannten Volkskulturen. Es gab zum Beispiel Vodou-Flaggen aus Haiti (Myrlande Constant) und Volkskunstmalerei (z. B. Palmira aus Venezuela), auch die Roma-Identität hat eine Würdigung gefunden in der sehr beeindruckenden Installation von 12 großformatigen Wandbehängen von Malgorzata Mirga-Tas im polnischen Pavillion. Aber davon ausführlicher in Teil 2, wenn es um die Länderpavillions und die Begleitausstellungen in Venedig gehen wird.

Ich wurde gefragt, ob dies für mich die beste Biennale von Venedig sei, verglichen mit denen von 2017, 2019 oder 2022. Die ‘Viva Arte Viva’ Ausstellung von Kuratorin Christine Macel (2017) zeigte mehr spektakuläre Textilarbeiten u. a. von Ernesto Neto und Sheila Hicks und war das größere textile Fest.  Was den textilen Anteil an der diesjährigen Biennale betraf, so war das Hauptthema zwar Surrealismus, zumeist in Form von Gemälden, es gab aber auch Arbeiten mit den verschiedensten Materialien, darunter viel Textil. Ich würde jedem Textilinteressierten raten, diese Biennale nicht zu verpassen! Hier folgen einige Fotos von textilen Arbeiten mit Kurzbeschreibungen der Künstler. Es sind nicht alle, aber ich hoffe, dass ich keinen wichtigen Beitrag vergessen habe! Wie bereits erwähnt folgen im zweiten Teil dieses Artikels dann die textilen Arbeiten der Länderbeiträge und Begleitausstellungen.

Rosemarie Trockell, Germany, 1952: “Some Know Better”, 2018; acrylic wool on canvas, framed in Plexieglass; photo Beatrijs Sterk
Rosemarie Trockel, Germany, 1952: Installation view of “The Same Different”, 2013 (left) and “Chamade”, 2021 with sculpture by Andra Ursuta; photo Beatrijs Sterk

Rosemarie Trockel, Deutschland, 1952
Die Künstlerin nimmt Platz 4 ein auf dem Kunstkompass, nach Gerhard Richter, Bruce Naumann und Georg Baselitz. Von 1998 bis 2016 war sie Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie machte „das Frau sein“ zum Thema ihrer Kunst und formulierte Kritik am bestehenden Kunstbetrieb. In den großen Ausstellungen zum Thema Kunst & Textil seit 2014 gab es immer wieder vereinzelt Werke von ihr zu sehen, die mich nie sonderlich überzeugt hatten. In Venedig war das anders. Es waren eine ganze Reihe ihrer Arbeiten vertreten, ältere und viele neuere, gestrickte und ihre Fadenbilder, die in der Gesamtheit sehr überzeugend wirkten. Vielleicht lag es auch an der grandiosen Hängung in Kombination mit Werken der Bildhauerin Andra Ursuta.

 

Cecilia Vicuña, Chile, 1948: “NAUfraga”, 2022, Installation composed of ropes and debris found around Venice, a work dedicated to the Venice Lagoon, Nau fraga, from navis (ship) + frangere (to break); fraga is the root of Fragile and failure: our failure to care for the earth; photo Beatrijs Sterk

Cecilia Vicuña, Chile, 1948
Auf der Documenta 2017 hatte sie überzeugt mit einer großen textilen Skulptur. In Venedig dagegen dauerte es etwas länger, bis ich die Absicht der Arbeit “NAUfraga” aus 2022 verstanden hatte. Sie hatte einen ganzen Raum gefüllt mit ihren Malereien und einer raumgreifenden Skulptur, die jedoch so zerbrechlich und fragil aussah, dass es mir als Besucherin vorkam, als beherrsche die Künstlerin den Raum nicht ganz. Bis ich dann las, dass sie die Zerbrechlichkeit von Venedig einerseits und unseren fahrlässigen Umgang mit der Erde andererseits zum Thema gemacht hatte!
Die Künstlerin erhielt den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk

 

Mrinalini Mukherjee, India, 1949-2015:”Devi” 1982, “Rudra”1982 and “Vanshree”, 1994; soft sculptures, dyed natural fibre, macramé technique; photo Beatrijs Sterk
Mrinalini Mukherjee, India, 1949-2015: Vanshree, 1994, detail; dyed natural fibre, macramé technique, collection Jajayshree Barhia; photo Beatrijs Sterk

Mrinalini Mukherjee, Indien, 1949-2015
Mit Erstaunen habe ich die Arbeiten dieser Künstlerin bewundert, die meines Wissens nie auf der Biennale von Lausanne zu sehen waren, obwohl sie stark an Arbeiten von z. B. Jagoda Buić und andere osteuropäische Künstler erinnerten. Vielleicht reichte der Blick der Kuratoren von Lausanne nicht bis Indien oder war sie etwas zu jung? Mukherjee arbeitete mit selbstgefärbten, natürlichen Fasern, oft in der Macramé Technik. Ich hatte noch nie von ihr gehört!

Paula Rego, Portugal 1935: “Oratório”, 2009; wood cabinet with side panels comprising of 8 paintings and 8 doll-like sculptures, depicting 18th century women from literature and folklore who have fallen from grace, often meeting shocking consequences; photo Beatrijs Sterk
Paula Rego, Portugal, 1935: “Gluttony”,2019, from the series “The Seven Deadly Sins”; 59th Venice Biennial, Giardini, central pavilion exhibition; doll-like sculptures; photo Beatrijs Sterk

Paula Rego, Portugal 1935
Wiederum eine Künstlerin, von der ich leider noch nie gehört hatte! Ihre Arbeit “Oratório” besteht aus einer Assemblage von 8 Malereien und 8 puppenartigen Skulpturen. Sie bildet hier “gefallene” Frauen aus dem 18. Jahrhundert ab, die oft mit schlimmen Konsequenzen rechnen mussten. Eine weitere Arbeit von ihr hieß “Fresssucht” aus der Serie “die Sieben Totsünden”; gezeigt wird eine große und mehrere kleinere textile Skulpturen.

 

Gabrielle L´Hirondelle, Canada, 1979:”counterblaste”, 2021; Tights, tobacco, beer can tabs, wildflowers, yarn, lucky charms; on the wall paintings by Kudzanai-Violet Hwami; photo Beatrijs Sterk

Paula Rego, Portugal 1935
Wiederum eine Künstlerin, von der ich leider noch nie gehört hatte! Ihre Arbeit “Oratório” besteht aus einer Assemblage von 8 Malereien und 8 puppenartigen Skulpturen. Sie bildet hier “gefallene” Frauen aus dem 18. Jahrhundert ab, die oft mit schlimmen Konsequenzen rechnen mussten. Eine weitere Arbeit von ihr hieß “Fresssucht” aus der Serie “die Sieben Totsünden”; gezeigt wird eine große und mehrere kleinere textile Skulpturen.

 

Gisèlle Prassinos, Greece/France, 1920-2015: “Les Fiancés”, 1975, textile, cotton, felt, golden thread, and buttons; Collection Bibliothèque historique de la Ville de Paris; photo Beatrijs Sterk

Gisèlle Prassinos, Greece/France, 1920-2015
Sie ist eine französische Schriftstellerin griechischer Abstammung, die mit der surrealistischen Bewegung verbunden ist. Ihre Schriften wurden 1934 von André Breton entdeckt, als sie gerade vierzehn war, und in der französischen surrealistischen Zeitschrift Minotaure und der belgischen Zeitschrift Documents 34 veröffentlicht. Ihre textilen Arbeiten scheinen sehr unbekannt zu sein. 

 

Bronwyn Katz, South Africa, 1993: “Gõegõe” 2022, Installation, found bed springs, wire, pot fuses, remnants of salt and rust ; photo Beatrijs Sterk

Bronwyn Katz, South Africa, 1993
Der Einsatz von gefundenen Bettspringfedern und anderen Haushaltsmaterialien bezieht sich auf das häusliche Leben – speziell den intimen Raum des Bettes, oft der Ort für Zeugung, Geburt und Tod.
“Göegöe” ist der Name einer Wasserschlange aus der Mythologie afrikanischer Völker.

 

Sonia Delaunay Ukraine/France, 1885-1979: Gouache on tracing paper, 1929(?) ; photo Beatrijs Sterk
Sonia Delaunay Ukraine/France, 1885-1979: Gouache on tracing paper, 1929(?) ; photo Beatrijs Sterk

Sonia Delaunay, Ukraine/France, 1885-1979 
Sonia Delaunay war eine Schlüsselfigur der Pariser Avantgarde der Zwischenkriegszeit. Geboren in einer jüdisch-ukrainischen Familie und aufgewachsen in Sankt Petersburg immatrikulierte sich Delaunay im Alter von achtzehn Jahren an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, Deutschland. 1905 zog sie nach Paris, wo Postimpressionismus und Kubismus in den Galerien der Stadt dominierten. In diesem äußerst experimentellen Klima leisteten Delaunay und ihr Ehemann Robert Pionierarbeit für den Simultanismus, einen Stil der abstrakten Malerei, der die transzendenten Effekte der Wechselwirkung zwischen Farben betont. Die hier vorgestellten Arbeiten auf Papier veranschaulichen Delaunays Anwendung der Prinzipien der malerischen Abstraktion auf textile Muster. Auf der Suche nach Kompositionen, die sich aus gewebten Fäden realisieren ließen, experimentierte Delaunay mit dem Rhythmus, der Bewegung und der Tiefe, die durch simultane Kontraste entstehen, bei denen Farben je nach Umgebung unterschiedlich erscheinen. In Venedig wurden einige ihrer Entwürfe für Stoffe aus den Jahren 1925 bis 1930 gezeigt, die sehr aktuell aussahen und nichts an Frische und Leuchtkraft vermissen ließen!

 

Britta Marakatt-Labba, 1951, Sàpmi, Northern Sweden: Embroidery “Milky Way(?) 2021, embroidery and appliqué ; photo Beatrijs Sterk
Britta Marakatt-Labba, 1951, Sàpmi, Northern Sweden: detail ,”Between the Trees”,1986(?)embroidery and appliqué ; photo Beatrijs Sterk
Britta Marakatt-Labba, 1951, Sàpmi, Northern Sweden: detail ,”Between the Trees”,1986(?)embroidery and appliqué ; photo Beatrijs Sterk
Britta Marakatt-Labba, 1951, Sàpmi, Northern Sweden:”Global Upwarm”(?),2021, embroidery and appliqué ; photo Beatrijs Sterk

Britta Marakatt-Labba, 1951, Sàpmi, Northern Sweden
Die Künstlerin wurde in Sàpmi, der Heimat der indigenen Gemeinschaft der Samen, in eine Familie von Rentierjägern hineingeboren. Ihre künstlerische Praxis hat Methoden des visuellen Geschichten Erzählens mit dem samischen Volk verbunden. Marakatt-Labba ist bekannt für ihre Stickereiarbeit “Historjá”, die sie u. a. 2017 auf der 14. Documenta in Kassel ausgestellt hat. Ihre neuen Arbeiten sind “Milky Way” und ” In the Footsteps of a Star”, beide aus 2021. Nicht ganz so spektakulär wie die Arbeit in Kassel aber beeindruckend, dass die Künstlerin mit Ihren Mitteln weiter macht bei der Rettung der Kunst und Kultur der Sámi, die noch im Einklang mit der Natur leben. Als solche ist sie eine moderne Umweltaktivistin in Verbindung mit andere Sámi-Künstler, wie es auch im Länderbeittrag der skandinavische Länder zu sehen war, die diesmal die Sámi ihrem gemeinsamen Länderbeitrag gewidmet hatten!

 

Myrlande Constant, Haiti, 1986: “Rasanbleman soupe tout eskòt yo” (2019); Constant has taken part in the revolution in the art of drapo-making over the last two decades. She has been making flags since the 1990s. Her works are densely beaded flags, Constant’s flags are much larger than traditional flags; photo Beatrijs Sterk
Myrlande Constant, Haiti, 1986: Vodou flag 2020; Constant has taken part in the revolution in the art of drapo-making over the last two decades. She has been making flags since the 1990s. Her works are densely beaded flags, Constant’s flags are much larger than traditional flags; photo Beatrijs Sterk

Myrlande Consttant, Haiti, 1986
Constants großformatige Textiltableaus – “Gemälde mit Perlen”, so die Künstlererin – schöpfen aus Vodou-Mythen und haitianischen visuellen Traditionen. Ihre Werke enthalten komplizierte Perlenarbeiten und alternative Interpretationen der Mythen der haitianischen Religion: Inmitten ihrer lebendigen Landschaften nehmen Figuren verschiedener Rassen, Sekten und Nationalitäten an Ritualen teil. Religion, insbesondere menschliche Beziehungen zu Loas, dem Repräsentanten Gottes in der physischen Welt im Vodou, beeinflusst ihre Arbeit zutiefst.

 

Ruth Asawa, USA, 1926 – 1013: Transparent sculptures, 150-60, brass wire; photo Beatrijs Sterk
Ruth Asawa, USA, 1926 – 1013: Transparent sculptures, 150-60, brass wire; photo Beatrijs Sterk

Ruth Asawa, USA, 1926 – 1013
Ruth Asawa begann als Teenager Kunst zu machen, während sie während des Zweiten Weltkriegs zusammen mit ihrer Familie und Tausenden anderer Menschen japanischer Abstammung von der US-Regierung gewaltsam in einem Internierungslager festgehalten wurde. 1949 begann Asawa mit der Konstruktion von Hängeskulpturen und verwandelte alltägliche Industriematerialien – raues Messing, Stahl und schweren Kupferdraht – in gewundene und anmutige Kugelformen, die, obwohl sie ein dreidimensionales Volumen haben, keine innere Masse enthalten.
Asawas Arbeit wird in einer Reihe von Zeitkapseln gezeigt, die „Dialoge und Reime über Generationen hinweg herstellen“.

 

Igshaan Adams,South Africa, 1982:”Bonteheuvel/Epping”, tapestry; Adams large-scale tapestries are inspired by the geometric patterns of linoleum floors found throughout the Cape Town. Stitched together with wood, beads, shells, strings and rope they are linked to commodity tradings and local environs in postcolonial Africa; photo Beatrijs Sterk
Igshaan Adams,South Africa, 1982:”Bonteheuvel/Epping”, tapestry; the detail is showing how complex this tapestry was made; photo Beatrijs Sterk

Igshaan Adams, South Africa, 1982
Aufgewachsen in Bonteheuwel, einem ehemaligen segregierten Township in Kapstadt, Südafrika, bewahrte Igshaan Adams eine facettenreiche rassische, religiöse und sexuelle Identität in einem akut herausfordernden Umfeld. In einigen Wandteppichen zeichnet Adams andere Arten von Bewegungen auf, indem er „Wunschlinien“ zeichnet, ungeplante Pfade, die als Folge der Erosion durch Fußgänger entstanden sind und die während der gesamten Ära der Apartheid genutzt wurden, um Gemeinschaften zu verbinden, die die Regierung gewaltsam trennen wollte. Für “The Milk of Dreams” zoomt Adams auf Sehnsuchtslinien zwischen dem Bahnhof Bonteheuwel in Kapstadt und Epping, einem der Industrieviertel der Stadt, in dem viele Arbeit suchen.

 

Tau Lewis, Canada, 1993: “Vena Cava”, 2021. Recycled leather, acrylic paint, coated nylon, steel armature. Recycled leather, acrylic paint, coated nylon, steel armature; photo Beatrijs Sterk

Tau Lewis, Canada, 1993
Tau Lewis verwandelt gefundene Textilien und Artefakte durch mühsame Näh- und Quiltprozesse in imaginäre Talismane und magische Wesen, die Science-Fiction-Welten bewohnen. Lewis erschafft subversive Denkmäler und zollt der Philosophie des materiellen Einfallsreichtums Tribut als Akt der Vermittlung in diasporischen Gemeinschaften. Lewis löst auch den Raum zwischen künstlerischen und politischen Polen auf, insbesondere zwischen Praktiken, die traditionell als Handwerk, Ritual oder Kunst abgegrenzt werden. Die Künstlerin stellt Textilien und Handarbeit ins Zentrum einer Auseinandersetzung mit Identität, Körper und Natur.

 

Lavinia Schulz & Walter Holdt
(1896, Lübben, Germany – 1924, Hamburg, Germany, 1899 – 1924, Hamburg, Germany.)
Mask figures, 1924 / 2005–2006
Replicas and photos of the original works. Schulz and Holdt created a series of fantastical costumes that transformed dancers into a type of hybrid artwork; photo Beatrijs Sterk
Lavinia Schulz & Walter Holdt
(1896, Lübben, Germany – 1924, Hamburg, Germany, 1899 – 1924, Hamburg, Germany.)
Mask figures, 1924 / 2005–2006
Replicas and photos of the original works. Schulz and Holdt created a series of fantastical costumes that transformed dancers into a type of hybrid artwork; photo Beatrijs Sterk

Lavinia Schulz & Walter Holdt (1896-1924, Lübben, Deutschland,
1899 – 1924, Hamburg, Deutschland.)
Zusammen mit ihrem Mann und künstlerischem Partner Walter Holdt führte Lavinia Schulz von 1919 bis 1924 in Hamburg expressionistische Tänze in einem Stil auf, der auf unterschiedliche Intensitäten des „Kriechens, Stampfens, Hockens, Kniens, Wölbens, Schreitens, Springens und Einspringens“ aufbaute in meist diagonal-spiralförmigen Mustern.“ Schulz und Holdt schufen eine Reihe fantastischer Kostüme, die Tänzer in eine Art hybrides Kunstwerk verwandelten. Auf der Biennale ausgestellt unter dem Titel ” Zeitkapsel V:Verführung des Cyborgs”

 

Sophie Taeuber-Arp, Switzerland (1889–1943) : Pillowcase, 1921/24, cotton on textile, embroidery; photo Beatrijs Sterk

Sophie Taeuber-Arp, Switzerland (1889–1943)
Sophie Taeuber-Arp war eine Schlüsselfigur der Dada-Bewegung, die die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst aufhob und trotz zweier Weltkriege Werke schuf, in denen vor allem Freude und Farbe triumphierten. Taeuber-Arp studierte Textildesign an der Kunstgewerbeschule St. Gallen und Tanz an der Labanschule Zürich. Von 1916 bis 1929 lehrte Taeuber-Arp Textildesign an der Züricher Kunstgewerbeschule, eine Position, die sie und ihren Mann, den Künstler Jean Arp, unterstützte. Als sie 1915 nach Zürich zog, begann sie mit der Herstellung von Textilarbeiten und geometrischen ungegenständlichen Gemälden, die sie als „Konkret“ bezeichnete. Als Unterzeichnerin des Zürcher Dada-Manifests trat Taeuber-Arp oft im berühmten Cabaret Voltaire der Bewegung auf, für das sie auch Bühnenbilder, Kostüme und kleine Marionetten entwarf, die eine roboterhafte oder futuristische cyborgische Sensibilität aufweisen. 1926 zog Taeuber-Arp nach Frankreich und pendelte zwischen Straßburg und Paris. 1940 verließ sie Paris im Vorfeld der Besetzung durch die Nazis. 1942 kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie im Alter von 53 Jahren an einer versehentlichen Kohlenmonoxid-vergiftung starb.

 

Installation view, Tetsumi Kudo in ‘The Milk of Dreams,’ La Biennale di Venezia, 2022; photo Beatrijs Sterk

Tetsumi Kudo, Japan, 1935 – 1990
Kudo gehörte zu einer Generation japanischer Künstler, die der traditionellen Gesellschaft nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs sehr skeptisch gegenüberstanden. Nach seinem Umzug nach Paris im Jahr 1962 begann Kudo mit der Schaffung von Werken, die von seinem Gefühl geleitet wurden, dass in einer “Neuen Ökologie”, in der Mensch, Natur und Technologie miteinander verflochten waren, ethische Werte ebenso austauschbar waren wie Waren. Kudo setzte oft Fluoreszenz ein, um eine unheimliche Hightech-Aura zu erzeugen, wie in den leuchtenden “Flowers” 1967/68. Seine postnatürlichen Visionen fangen die mehrdeutige Distanziertheit einer Welt ein, die durch menschliche Begierden umgestaltet wurde.

 

Zhenya Machneva, Russia, 1988: “A Girl”, 2022, hand-woven tapestry; Machneva intertwines images of obsolete factories, industrial landscapes, and mechanical objects with the digital present. suggest a reprisal the human-machine hybrids envisioned by the early 20th century avant-garde; photo Beatrijs Sterk

Zhenya Machneva, Russia, 1988
Zhenya Machnevas Wandteppiche verwandeln die stählerne Fantasie, auf der das wirtschaftliche Vermögen der Sowjetunion aufgebaut werden sollte, in eine Welt des Unheimlichen. Inspiriert von einem Besuch in der Leningrader Telefonfabrik, in der der Großvater des Künstlers vierzig Jahre lang arbeitete, verwebt Machneva Bilder von veralteten Fabriken, Industrielandschaften und mechanischen Objekten mit der digitalen Gegenwart. Die auf manuellen Webstühlen hergestellten Wandteppiche von Machneva stehen im Gegensatz zu der Geschwindigkeit und Effizienz zeitgenössischer Technologien und spiegeln die Arbeitsmoral wider, die die industrielle Arbeit überhaupt erst möglich gemacht hat.