Contextile 7, Teil 1
Die internationale Ausstellung Contextile findet vom 7. September bis 15. Dezember 2024 in Gumaraes, Portugal, statt. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Reihe weiterer Ausstellungen, unter anderem aus dem Gastland Kanada, aus den künstlerischen Residenzen sowie einem Konferenztag und Workshops.
In diesem ersten Teil werde ich auf die internationale Ausstellung eingehen, die dieses Jahr zum siebten Mal stattfand. Diese Ausstellung ist das Herzstück des Biennale-Programms. Sie bringt Künstler aus Dutzenden von Ländern zusammen und erkundet die Vielfalt des zeitgenössischen Schaffens in der Textilkunst. Ich halte diese Veranstaltung für eine der wichtigsten Veranstaltungen im Bereich der Textilkunst dieser Tage, sicherlich genauso wichtig wie die ältere Internationale Triennale der Tapisserie in Lodz. Das Thema dieser Ausstellung war „Berührung“, ein sehr relevantes Thema im Licht der künstlichen Intelligenz und der digitalen Realität im Vergleich zur Bedeutung des Tastsinns.
Die Werke in der Ausstellung zeigten viele Variationen von „materieller Berührung“ bis „in Kontakt bleiben“. 1.300 Künstler reichten 1.505 Kunstwerke für Contextile 7 ein. Ausgewählt wurden von der Jury 57 Werke von 50 Künstlern aus 29 Ländern. Die Jury bestand aus 4 bekannten Textilkunstexperten – Janis Jefferies/UK, Cláudia Melo/Portugal, Lala de Dios/Spanien und Magda Sobon/Polen – sowie einem Mitglied des Organisationsteams, Cindy Steller/USA. Ihre Wahl war für mich zunächst etwas überraschend, da ich auf eine eher auf Textilkunst basierende Auswahl gehofft hatte. Sie hatten sich für die Vielfalt der heutigen Textilkunst entscheiden, da viele bildende Künstler das textile Medium nun auf neue und unerwartete Weise nutzen. Mir kam es auch so vor, als ob die Jury keine Künstler auswählen wollte, die kürzlich in Contextile-Ausstellungen gezeigt wurden. Sie suchte nach neuen Namen aufstrebender Künstler. Leider war das Geburtsjahr der Künstler im Katalog nicht vermerkt, aber mir kam es vor, als ob viele jüngere Künstler ausgewählt wurden.
Die Künstler der Ausstellung kamen aus Europa (Portugal und Ungarn je 6, Italien 4, Polen und Spanien je 3, Deutschland, Griechenland und Litauen je 2, Kroatien, Zypern, Finnland, Frankreich, Niederlande, Norwegen und Großbritannien je 1), aus Amerika (USA 2, Kanada 1, Brasilien 1, Kapverden 1, Chile 2, Mexiko 1, Peru 2, Venezuela 1) und von anderen Kontinenten (Australien 1, Indien 1, Taiwan 1, Ghana 1 und Palästina 1).
Die angewandten Techniken waren Weben (17 Arbeiten, darunter 3 Jacquard- und 2 Gobelinwebereien), etwa 10 dreidimensionale Skulpturen, etwa 9 Stickereien, 4 Flechtarbeiten, 3 Strickarbeiten und 3 Assemblagen, 2 Patchworkarbeiten und 2 Stoffmalereien, 1 Siebdruck und außerdem einige Kombinationen von Techniken.
Dass Weben bei jungen Künstlern wieder beliebt ist, war in den nordischen Ländern bereits zu sehen. Die 3D-Skulpturen waren von Künstlern aus anderen Disziplinen, die jetzt in Textil arbeiten, und die Stickerei ist seit einiger Zeit ein Trend unter Textilkünstlern, eine neue Lust auf eine langsamere Arbeitsweise mit Textilien.
Es gab drei Preise, alle im Bereich Weberei. Ein Akquisitionspreis ging an Anna ill aus Spanien, die in „Embracing Limits“ mithilfe des Webens Ideen von Verletzlichkeit und Schutz erforschte. In „Weaving Horizons“ nutzt sie Textilien, um die Erinnerung an den abwesenden Körper darzustellen. Ihre Weberei war sehr subtil und diente als Metapher.
Maaike Gottschall aus den Niederlanden erhielt eine lobende Erwähnung. Sie nutzte das Weben in ihrem „Kitty van der Mijll-Decker Heritage Project“, einer fortlaufenden Webstuhlinstallation, die 2019 begann. Die Arbeit enthält mehrere Webarbeiten auf Grundlage des Wirkens dieser Bauhaus-Weberin, die an der Rietveld-Akademie in Amsterdam unterrichtet hatte. Sie arbeitete unter anderem mit handgezüchtetem und handgesponnenem Flachs aus dem Nachlass der niederländischen Bauhaus-Weberei Kitty van der Mijll-Decker. Eine weitere lobende Erwähnung erhielt Lara Salous aus Palästina für ihren Film „Around Their Hands“ und die Arbeit „What Remains“. Zuerst habe ich diese Wahl nicht verstanden, weil ich mir nicht die Zeit genommen habe, den Film richtig anzusehen. Es war der Film, der die Jury vom Thema Berührung im Sinne von „in Kontakt bleiben“ mit der älteren Generation überzeugte. Auf die Frage, ob hinter dieser Wahl eine politische Aussage stünde, antwortete ein Jurymitglied: „Natürlich kann man den Namen Palästina nicht erwähnen, ohne politisch zu sein, aber das war nicht die Absicht der Jury.
Neben den prämierten Arbeiten war ich sehr beeindruckt von der Arbeit „Inexpressible II“ von Katrīna Leitēna aus Lettland, einer feinen fotorealistischen Stickerei, die Emotionen und Gefühle ausdrückte. Sie hat 2019 an der Kunstakademie Lettlands ihren Abschluss gemacht.
Dann gefielen mir auch die Wandteppiche „Touch“ von Emilia Cecylia Domańska, die ich von der Lodzer Tapisserie-Triennale kannte, sehr gut. Ich fand sie einfach perfekt!
Außerdem war ich positiv überrascht von den industriell gefilzten Figuren von Loreta Švaikauskienė aus Litauen, die im Jahr 2000 ihren Master of Art an der Kunstakademie Vilnius, Fakultät Kaunas, abschloss. Und schließlich gefiel mir die Arbeit „Touch Mei“ von Anna Lima-Netto aus Portugal sehr gut, der sie Worte von Chaplin hinzufügte: „Wir brauchen keine Maschinen ohne Menschlichkeit“. Sie sieht ihre Arbeit als Reflexion und Gegenstück zur heutigen Gesellschaft.
Ich sah auch einige Werke, die ich kürzlich in anderen internationalen Ausstellungen bewundert hatte, wie die Arbeit „Talking Hands“ von Niina Hiltunen aus Finnland, die bereits 2023 auf der Riga International Textile and Fiber Art Triennial gezeigt wurde. Dann die berührende Hommage an ihren Vater von Eli Eines aus Norwegen „A Hole in the Heart“, die auch auf der Internationalen Tapisserie-Triennale von Lodz im Jahr 2022 gezeigt wurde. Schließlich gab es auf der Biennale für zeitgenössische Kunst, WTA, in Madrid 2019 ein Werk, das „Manto Sensorial“ von Consuela Walker Guzmán aus Chile ganz ähnlich war. Es machte mir nichts aus, diese Werke noch einmal zu sehen, da sie ausgezeichnet waren, aber es ging wahrscheinlich darum, neue Werke zu zeigen?
Einige der eher kunstorientierten Werke waren nicht das, was ich suchte, obwohl sie lustig und unbeschwert waren. Hier beziehe ich mich auf „Winter Over Europe 7, Circe“ des französischen Künstlers Arnaud Cohens, einen traditionellen belgischen Gobelin mit KI-Bildern als Assemblage. Dann Carlos Bautista Biernnay aus den USA mit seinem Werk „Chaos“, das ich wirklich chaotisch fand! Frederick Bamfo aus Ghana hatte aus Jeanskleidung ein „Floating House“ geschaffen, eine Installation, die für mich wie eine Arbeit eines Erstsemesterstudenten aussah. Schließlich hatte Graham Hollick aus Großbritannien ein Gemeinschaftswerk geschickt, das er zusammen mit zwei anderen Künstlern geschaffen hatte. Seine Arbeit zeigte seine Interpretation der Sätze, die ihm zugesandt wurden, wie „Ertränke sie in deiner Liebe“. Ich hörte, wie er sagte, wie überrascht er sei, dass er in die Ausstellung aufgenommen wurde. Das lag vielleicht am Appetit der Jury auf Vielfalt, denn seine Arbeit war lustig und einzigartig (aber meiner Meinung nach auch nicht mehr)!
Alles in allem war ich sehr froh, dass ich es auch dieses Mal wieder nach Guimaraes geschafft habe und Werke von so vielen Künstlern sehen konnte, die ich vorher noch nicht kannte! In einem weiteren Artikel werde ich unter anderem über die Arbeit des Gastlandes Kanada und die überraschende Josep Grau-Garriga-Ausstellung „Los Hilos de la Memoria“ berichten.