Sheila Hicks 2
Der zweite Teil der Retrospektivausstellung von Sheila Hicks im Josef Albers Museum in Bottrop war eine Überraschung: Hier wurden die Anfänge von Sheila Hicks mit einigen ihrer Gemälde gezeigt, die in den 1950er Jahren während ihres Farbkurses bei Josef Albers an der Yale School entstanden sind. Hier wurde deutlich, wie wichtig Josef Albers für Sheila Hicks war, die ihre Farben tanzen lassen wollte! Dem Museumspersonal ist es gelungen, den Zauber wirken zu lassen, denn sie sind an die subtilen Farbmalereien von Josef Albers gewöhnt und behandelten die Textilarbeiten von Sheila Hicks mit der gleichen Sorgfalt, sodass ihre Farben richtig zu tanzen begannen. Im Text zur Bottroper Ausstellung hieß es, dass vor allem die frühen Werke gezeigt werden würden, was auch der Fall war, aber auch einige neuere Werke waren hier zu sehen, so dass ein wirklicher Überblick über ihre über 50 Jahre Textilkunst gegeben war . Während sich das Zusammenspiel der Farben bei Josef Albers auf Gemälde im quadratischen Format beschränkt, sind Sheila Hicks lebendige Textilfarben oft großformatig im Raum, als Webereien, Teppiche, Reliefs, Skulpturen oder Installationen. Ihre Farben sind in Bewegung, wie textile Materialien immer in einer Wechselwirkung stehen.
Die Themen, die die künstlerische Arbeit von Josef Albers und Sheila Hicks verbinden, sind: Serielles Arbeiten – Bezüge zur Architektur – Material der Kunst – fotografische Exkursionen – Lernen und Lehren – Hommage an die Farbe – Reisen.
“Was kann man mit Fäden machen?“ ist die lebenslange Frage, die sich die Künstlerin gestellt hat. Sie hat zahlreiche Techniken entwickelt, auf der Grundlage alter Techniken, aber mit neuen und unerwarteten Weiterentwicklungen. In ihrem Werk „Quipo“ von 1966 bezieht sie sich auf die über 5000 Jahre alten „Quipus“ aus den Anden, die Sachverhalte über Knoten, Materialwahl, Drehungen und Farben vermitteln. Diese Quipus sind noch fast nicht entziffert. Hicks übernahm die verschiedenen Elemente wie sich wiederholende Knoten und Drehungen und konzentrierte sich dabei auf Farbe und Raum.
Für ihre „Lianes“ (Lianen) nutzt Hicks eine Technik, die sie 1957 in Chile als Ikat-Technik der indigenen Mapuche kennenlernte, die Garnbündel umwickelten, damit sie ungefärbt blieben. Diese Umwicklungen wurden später entfernt, aber Hicks behält das eingewickelte Erscheinungsbild bei. Sie verarbeitet Leinenfäden zu Strängen und umwickelt Teile davon mit Baumwoll-, Seiden- oder Stahlfäden, wobei sie sich sowohl auf die Flexibilität als auch auf die Stabilität textiler Materialien konzentriert.
Weitere Themen von Sheila Hicks sind ihre „Boules“ (Kugeln), die ich 2017 zum ersten Mal in Venedig sah: Textilien, die mit Fäden um gebrauchte Textilien oder Gegenstände gewickelt sind. Sie werden in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Farben hergestellt und verleihen ihnen eine außergewöhnliche Leuchtkraft. Diese verpackte Form hat ihren Ursprung in vor-Inkaischen Gräbern, in denen die Mumien und ihre Besitztümer in Textilien eingehüllt waren.
Ihre „Säulen“ sind monumentale Skulpturen, die an griechische und ägyptische Säulen erinnern und in einer breiten Farbpalette gefertigt sind, manchmal monochrom, aber oft hell und farbenfroh. Diese Säulen ähneln weichen architektonischen Strukturen, manchmal freistehend oder von der Decke hängend.
Mit ihren „Minimes“ (Miniaturen) beschäftigte sich Sheila Hicks bereits während ihres Studiums an der Yale School of Art mit dem Weben, kleinen, intimen, spielerischen Arbeiten aus Wolle, Seide, Leinen und vielen anderen unkonventionellen Materialien wie Muscheln, Steinen, menschlichem Haar, Federn usw. Bis heute hat sie über tausend Miniaturen geschaffen, die auf improvisierten Webgeräten hergestellt wurden, wie sie von indigenen Webern der Anden verwendet werden. Hicks verwendet diese kleinen Webereien mit vier Webkanten oft wie Skizzen für ihre größeren Werke, aber sie sind auch eigenständige Kunstwerke.
Dann gibt es eine Gruppe von Werken namens „Talking Sticks“ (oder „Sprecherstäbe“). Diese beziehen sich auf Stöcke, die anzeigen, wer das Recht hat, in Gemeinschaften in Afrika, Ozeanien und Nordwestamerika zu sprechen. Sheila Hicks Talking Sticks bestehen aus Bambusstäbe, die mit mehrfarbigen Fasern umwickelt und in unterschiedlichen Formationen angeordnet sind.
Eine weitere Werkgruppe sind die „Bas-Reliefs“, entweder gewebt oder gestickt, aber auch eine Reihe großer, mit Leinen umwickelter Leinwände. Auch hier ist es die Verwendung von Farbe, die die Arbeit von Hicks hervorhebt.
In Bottrop wurden auch einige ihrer früheren Architekturaufträge ausgestellt, darunter Muster der Metallfadenstickereien auf Leinen für die Ford Foundation.
Alles in allem ist es fast zu viel, die über 250 Werke beider Ausstellungen an einem Tag zu sehen, wie ich es getan habe. Aber ich habe es in der richtigen Reihenfolge gemacht, die größeren Monumentalwerke in Düsseldorf waren schon beeindruckend, aber kommt man ins wunderschöne Josef-Albers-Museum in Bottrop mit der (in meinen Augen) sorgfältigere Ausstellungsgestaltung, wo so viel Wert auf die Farben und ihre Interaktion gelegt wird, war atemberaubend.
Jetzt warte ich auf die Veröffentlichung des Katalogs, der erste auf Deutsch über Sheila Hicks, den ich hoffentlich bald hier in meinem Blog rezensieren kann!
Beatrijs Sterk