Garden of Eden
Textilausstellung im Rahmen der ETN-Konferenz in Haslach/Austria, 17. Juli bis 4 . August 2019, Schloss Neuhaus
Es ist sehr lange her, dass ETN (European Textile Network) eine eigene große Ausstellung inszeniert hat. Das Projekt „Garden of Eden“ im Schloss Neuhaus ist ein ehrgeiziges Unterfangen, mit dem sich die beiden neuen ETN-Organisatoren, Christina Leitner und Andreas Selzer von der Vereinigung Textile Kultur Haslach, vorstellen. Diese Vereinigung wurde 1991 gegründet und hat sich international durch die Organisation von hochwertigen Textilkursen, vielfältigen Sonderausstellungen und die Ausrichtung eines weithin bekannten Webermarkts einen Namen gemacht.
2012 wurde in einer ehemaligen Textilfabrik das Textile Zentrum Haslach eröffnet, das mehrere Partner unter einem Dach vereint. Neben der Vereinigung Textile Kultur Haslach ist in diesem Zentrum nun auch ein Webereimuseum untergebracht, das 2014 mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet wurde. Weitere Partner im Haus sind die Manufaktur Haslach, ein sozial-ökonomischer Betrieb, der sich auf die Verarbeitung regionaler Schafwolle spezialisiert hat, der Shuttle-Lehrgang für Studierende von Hochschulen, sowie die „weberie“, die Kleinserien und hochwertige Gewebe auf spezielle Anfrage entwickelt.
Für seine Arbeit wurde Textile Kultur Haslach bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2001 mit dem großen Oberösterreichischen Landeskulturpreis für initiative Kulturarbeit. Seit 2016 ist das Textile Zentrum Haslach auch auf die Liste der best practice-Beispiele der UNESCO gelistet. So stehen auch die ETN-Konferenz im Juli 2019 und die Ausstellung „Garden of Eden“ unter der Schirmherrschaft der UNESCO. Meine Hoffnung ist es, dass sich Haslach als zukünftige Begegnungsstätte für Textilschaffende aus ganz Europa etabliert.
Das Thema der Ausstellung, der Garten Eden, ließ Raum für sehr unterschiedliche Auffassungen und Herangehensweisen – von üppigen Garten-, Pflanzen- und Blumendarstellungen bis zu spirituellen, philosophischen Sichtweisen, was in den Titeln zum Ausdruck kommt: „Virgin Garden“, „Ornamentica Floralica“, „Green Veins“, „Lost Paradise“ oder „Blumen der Erde“ bis „Divine Surprise“, „Hiding from God“, „The Awakening of the Goddess“ oder „Heaven Earth – Earth Heaven“. Die Organisatoren hatten dieses Thema nicht nur wegen der schönen Umgebung des Mühlviertels und wegen der gleichzeitig stattfindenden Landesgartenschau in Aigen-Schlägl – 15 Minuten von Haslach entfernt – gewählt, sondern vor allem auch wegen des Bedürfnisses vieler Künstler/innen, die Ressourcen unserer Erde zu würdigen, nachhaltig zu arbeiten und Alternativen im Umgang mit Materialien und Herstellungsweisen zu erforschen.
Die Künstler/innen haben bei den Einreichungen den Aspekt der Nachhaltigkeit sehr ernst genommen und vielfach recycelte oder gefundene Materialien eingesetzt, wie recycelten Baumwoll-Pulp, Kiefernkegel, Palmstammfasern, Zeitschriftenpapier, Pferdehaar, alte Kleidungsstücke, alte Krankenhausumhänge, alte Seidenstoffreste von Kimonos, alte Taschentücher, Plastik aus dem Meer, Plastiktüten, recycelte Garne, Erde und vieles mehr.
Mir gefiel die Vielfalt der Arbeiten, die nicht nur auf Textilkunst, sondern auch auf Textildesign und Bekleidung ausgerichtet waren, eine Offenheit, die in der Ausschreibung ausdrücklich erwünscht war. Meine Hoffnung ist, dass breit gefasste, Techniken übergreifende Ausschreibungen gegen die Zersplitterung der Textilkunstszene (z. B. in Tapisserie hier und Patchwork dort) helfen, denn wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung aller Textilgestalter/innen, um aus dem Nischendasein der Textilkunst heraus zu kommen. Mögen Trend-Designer/innen vorhersagen, dass textiles Kunsthandwerk im Kommen ist – zu den großen Museen und Galerien ist das noch nicht durchgedrungen.
Zur Ausstellung „Garden of Eden“ wurden 451 Arbeiten aus 38 Ländern eingereicht und für die Jury aufbereitet. Die Bewerbungen waren sehr unterschiedlich und bildeten die ganze Bandbreite des textilen Gestaltens ab. Die meisten Werke (67) gab es in der Kategorie Stickerei-Spitzen, was nicht verwunderlich ist, denn bei vielen Textilkunstausstellungen kommt die Technik Sticken heute oft vor. Das kommt vielleicht daher, dass diese Technik sowohl sehr individuell als auch sehr genau und langsam gearbeitet werden kann. Sie gleicht einer Handschrift und entspricht dem Wunsch der Künstler/innen, sich sehr persönlich und genau auszudrücken (quasi das textile Pendant zum „slow food“). Dann folgten die Kategorien Drucken-Färben-Malen mit 56 Arbeiten, Quilt-Patchwork-Applikation mit 53, Bekleidung-Nähen-Plissee mit 50, Tapestry-Tufting mit 48, Mixed Media mit 43, Weben mit 42, Filzen mit 21, Papier (paper) mit 18, Jacquardweben mit 17, weitere Techniken mit 17, Häkeln-Stricken-Knüpfen mit 15 und Foto-Video (photo-video) mit 4 Einsendungen. Bemerkenswert fand ich die große Zahl an Tapisserien in traditioneller Technik (auch eine sehr langsame Machart!) sowie das erneute Interesse an der Technik Tufting, die man übrigens seit kurzem in Haslach erlernen kann!
Die Arbeit der Jury, bestehend aus Marga Persson (ehemalige Professorin und Leiterin der Textil-/Kunst- & Design-Abteilung der Universität Linz), Paola Re (Leiterin/Organisatorin der Minartextil Como), Beatrijs Sterk (ehemalige Herausgeberin der Zeitschrift TextileForum, Initiatorin von ETN) sowie Christina Leitner und Andreas Selzer (von Textile Kultur Haslach als Kuratoren), war nicht gerade leicht zu bewältigen. Es war sehr wichtig, zwei Tage Zeit zu haben, um ungestört über die Arbeiten sprechen zu können. Schließlich wurden 81 Arbeiten von 78 Künstlern/innen aus 30 Ländern für die Ausstellung ausgewählt. Weitere 12 Künstler/innen wurden von den Kuratoren zur Teilnahme eingeladen, sodass über 100 Arbeiten aus 34 Nationen in den wunderbaren Räumlichkeiten des Schlosses zu sehen sein werden.
Bei der Auswahl wurde vor allem darauf geachtet, dass die Ausstellung die Vielfalt der Arbeiten abbildet und dass die Besucher/innen genauso überrascht von den Arbeiten sein können, wie es die Jury war.
Worauf legt man als Jurymitglied sonst noch Wert? Ich kann hier nur für mich sprechen, z. B. wie erleichtert ich bin, wenn gute Fotos (mit Details) eingeschickt werden oder wenn die Idee des/der Gestalters/in und die Weise der Umsetzung ebenso verständlich wie ansprechend ist (Arbeiten, die sehr hintergründig wirken und die man länger betrachten müsste, um sie zu schätzen, haben es in der Regel schwer). Man hat als Jury so wenig Zeit, die einzelnen Arbeiten zu betrachten, dass eine gute Abbildung, die keine Fragen offen lässt, einen großen Pluspunkt bedeutet! Ich freue mich immer über Künstler/innen, die mit ihrem Material meisterlich umgehen können, aber erfrischende Experimente oder skizzenhafte Leichtigkeit bestechen ebenfalls. Ich persönlich tue mich schwer mit Arbeiten, die man nur dann verstehen kann, wenn man den erklärenden Text gelesen hat. Mir ist es wichtig dass die Arbeit selbst „wirkt“. Das ist es, was Jack Lenor Larsen „presence“ nannte.
Es sollte ein kleiner Trost sein für diejenigen, die diesmal nicht dabei sind, dass aufgrund der Vielzahl an Einreichungen nur jede 6. Arbeit ausgewählt werden konnte und dass deshalb auch viele gute Arbeiten nicht in der Ausstellung gelandet sind.
Ich freue mich darauf, die „Garden of Eden“-Ausstellung in diesem Sommer im Schloss Neuhaus zu sehen und die ETN-Konferenz 2019 unter der neuen Leitung in Haslach mit zu erleben!
Beatrijs Sterk, Gründerin von ETN, Jury-Mitglied, Mai 2019